1924: FFC – West Ham United

West Ham United

West Ham United London – eine historische Erinnerung an den englischen Pokalmeister von 1924
Sechs Jahre nach Ende des 1. Weltkrieges gab es in Freiburg ein Fußball-Freundschaftsspiel der besonderen Art zu bewundern. Der FFC bezwang die damalige europäische Spitzenmannschaft West Ham United sensationell mit 5:2 Toren. Max Rieger schrieb 1966 in den Club-Nachrichten des FFC über dieses unvergessene Ereignis, über das man später in ganz Deutschland berichtete. Auch sehr lesenswert ist der Bericht von Otto Stunz (damals Spielausschuss des FFC), der ausführlich die bewegte Vorgeschichte des „Engländerspiels“ darlegte. Hier nun die jeweils ungekürzten Fassungen.Erinnerungen bleiben das Vorrecht und das Hobby der Alten — auch im Sport; — es schadet aber auch der jüngeren Generation nicht, hin und wieder dieses oder jenes Ruhmesblatt aus der Geschichte des FFC aufgezeigt zu bekommen. Dies umso mehr, da wohl alle Fußballer jeden Alters vor wenigen Wochen diese berühmten englischen Profis bei den Europapokal-Begegnungen gegen die Dortmunder Borussen an den Fernsehapparaten spielen sahen. Und so entsprach ich dann gerne einer Bitte meines lieben „fis“, aus meiner Erinnerung über das denkwürdige Engländerspiel vor genau zweiundvierzig Jahren zu berichten. Das Spiel mit dem damaligen wie heutigen englischen Pokalmeister, zu seiner Zeit der Exponent des unbestrittenen Weltklassefußballs, war eines der nicht seltenen Privatspiele unseres Clubs mit ausländischen Klassemannschaften in den Aufbaujahren nach dem ersten Weltkrieg. Man konnte solche Spiele damals wagen, weil die Forderungen vertretbar und das Interesse des Publikums an Privatspielen mit führenden Mannschaften noch recht groß waren. Man hatte auch die Chance, von der eigenen Elf ebenfalls hervorragenden Fußball zu sehen. Selten wurde man enttäuscht. Der FFC spielte in jenen Jahren in der obersten deutschen Fußballklasse, deren Spitze in erster Linie die süddeutschen Vereine einschließlich des kampfstarken HSV’s repräsentierten.

Nun zum Spiel selbst. Die Engländer spielten, bevor sie an jenem Maisonntag 1924 nach Freiburg kamen, gegen die stärksten Vertretungen in Köln und Frankfurt und gewannen zweistellig. Prominente Freiburger FFC’ler waren den Engländern nach Köln und Frankfurt entgegengefahren; was sie am Vorabend des Spieles in einer vorbereitenden Mannschaftsbesprechung berichteten, waren Wunderdinge an Kombination, Technik und vor allem an Flügelspiel. Man machte sich auch bei uns auf eine empfindliche Torserie gefasst und hielt es besonders wichtig, wenigstens ein Ehrentor zu schießen. Es kamen zum Einsatz: Rieger; Röhler, Klay; Spöri, Mayer, Krämer; Hotze, Ernst Bantle, Würz, Nikelsen, Neipp (für den ursprünglich der schnelle Sigmund vorgesehen war). Die Engländer stellten ihre Meisterelf bis auf einen Ersatzverteidiger. Was niemand für möglich hielt, erfüllte sich in den ersten 45 Minuten: unser Sturm, allen voran Ernst Bantle, riss das Spiel an sich, mit Kombinationen, Eleganz und herrlichen Torschüssen fanden die West Ham – Spieler im FFC ihren Bezwinger auf dem im Fußball für sie zweitklassigen Kontinent. 4:0 hieß es bei Halbzeit für den FFC. Nicht mit hartem Kampf, sondern mit gleichwertigen spielerischen Mitteln wurde dieses Ergebnis erzielt. Nach der Pause sah das Bild allerdings anders aus; die Engländer erkannten die Gefahr einer Katastrophe, spielten und kämpften wie die Löwen, wobei ihr Flügelspiel eine Offenbarung war. Den Sieg allerdings konnten sie uns nicht mehr entreißen. Mit 5:2- Bantle (3) und Würz (2) schössen unsere Tore – war der FFC-Sieg und die Sensation des Tages im damaligen deutschen Fußball noch deutlich genug. Der dann folgende Festabend mit den englischen Gästen — zweifellos einer der Höhepunkte im gesellschaftlichen Leben des FFC in den zwanziger Jahren, wenn nicht überhaupt, wird allen Teilnehmenden noch heute in Erinnerung geblieben sein. Die Engländer waren voll des Lobes über die hervorragenden Leistungen unserer Mannschaft. Nach den Lehrspielen in Köln und Frankfurt mussten sie ihr Urteil über den deutschen Fußball völlig revidieren. Mancher wird fragen, was soll eine solche Reminiszenz einer längst vergangenen Epoche? — Nun, die Geschichte eines Vereins, vielfach auch als Tradition bezeichnet, bliebe totes Kapital, würde man nicht von Zeit zu Zeit an sie erinnern. Für die Alten ist sie wie ein Spiegelbild ihres eigenen Lebens, wenn wir an die Generation aus der Gründerzeit unseres Clubs denken und wie wenige der einstigen Repräsentanten sind noch am Leben! Schon jetzt muss man sich vielfach auf die mündliche Überlieferung, auf alte Bilder oder Dokumente stützen, will man aus jener Zeit berichten. Die Jahre vergehen, mit ihnen eine Generation um die andere. Und so kann es nicht falsch sein, noch zu Lebzeit der Zeugen aus längst vergangenen Tagen hin und wieder das Bild des FFC aufleben zu lassen. Zwar täuschen wir uns nicht; in einer Epoche, in der das Kommerzielle auch im Sport das Ideelle um vieles überwiegt, mag unsere junge Generation kaum daran interessiert sein, an den Erinnerungen der Alten teilzuhaben. Doch vergesse man nie, wo unsere Fußballclubs stünden ohne jene Träger einer Tradition, die trotz der völlig veränderten Zeitverhältnisse ihren Clubs die Treue bewahrt haben, ihnen durch ihre Tat und ideellen Einsatz in selbstloser Weise Halt und Profil geben. Möge die heutige Epoche des Vertragsspielertums uns wenigstens eines erhalten: dass sich aus der Spielergeneration von heute und morgen immer wieder Männer finden, die eine Generation der Alten als Halt und Profil unseres FFC zu formieren bereit sind, — selbstlos und von Herzen ihrem Traditionsverein verbunden —, damit von Generation zu Generation das Bild unserer Gemeinschaft aus dem Dunkel des Vergangenen wie das Licht einer unserer Geschichte würdigen Zukunft erhalten bleiben kann. Dies möge nicht nur ein frommer Wunsch sein.
Max Rieger

Zur Vorgeschichte des Engländerspiels. – hinter den Kulissen –
Die damalige Tournee war abgeschlossen worden mit Köln. Eintracht Frankfurt, VfR Mannheim und dem FFC. Für ein Sonntagsspiel sollten wir 5000 Mark zahlen; so kurz nach, der Inflation eine ganz erkleckliche Summe. Auf der anderen. Seite war es doch eine Wucht, eine englische Vollprofi-EIf — immer noch Lehrmeister für den Deutschen Fußball — im Mösle zu sehen! Doch im letzten Augenblick, schaltete sich ein Verein aus Mülheim a. d. Ruhr ein, der persönliche Beziehungen zu den Londonern hatte. Die Mülheimer fuhren auf die Insel und boten mehr Geld, so dass die bereits getroffenen Abmachungen mit uns zu platzen drohten. Dass die Westham-Leute den Mülheimern daraufhin ein Spiel zusagten, war uns unverständlich. Auf unseren Einspruch hin berief der bekannte Funktionär der Frankfurter Eintracht, Karl Zimmer , eine Besprechung aller Beteiligten nach Mannheim ein, wobei wir den Mülheimer Vertretern berechtigte Vorwürfe wegen ihres unsportlichen Verhaltens machten. Wir drohten, von unserem Vertrag zurückzutreten und gleichzeitig den Vorfall dem DFB zu melden. Nach stundenlangen Verhandlungen kam dann doch eine Vereinbarung zustande. Alle Beteiligten mussten 1000 Mark mehr bezahlen, wobei wir zur Bedingung machten, dass für uns aus begreiflichen Gründen nur ein Sonntagsspiel in Frage kommen könne, was dann auch akzeptiert wurde. Die Zeitfolge stand so also fest: Mannheim am 14., Frankfurt am 17. und Freiburg am 18. Mai. Zum Mittwochspiel in Mannheim wurden vom Vorstand als Spione, die es dort schon gab, delegiert: „Manager“ Paul Staiger, Karl Kaiser und meine Wenigkeit für den Spielausschuss. 0:4 verloren die Rasenspieler dank der „freundlichen Unterstützung“ des Schiedsrichters Dr. Pecco B a u w e n s . Ich muss das erläutern; Damals gab’s noch kein Mauer- oder Betonspiel wie heute; es wurde offen gespielt. Die Engländer spielten im Bewusstsein ihrer Überlegenheit sehr phlegmatisch, stellten meisterhaft die Abseitsfalle und griffen so die Flügel kaum an. Der ausgezeichnete Flügel des VfR mit H ö g e r hatte mehrmals gute Chancen, aber jedes Mal blieben die englischen Verteidiger stehen, hoben die rechte Hand und reklamierten lautstark, „Abseits“ … — und der gutgläubige Schiedsrichter Bauwens fiel jedes Mal darauf herein. Es gab von den Rängen Proteste und viel Pfiffe. Für uns Freiburger war die Sache nicht einfach, war doch der gleiche Pfeifenmann für Freiburg vorgesehen. In der Pause fiel der Manager Staiger-Paule erregt über mich her: „Der Bauwens ist für uns unmöglich, der kann unser Spiel nicht leiten, sonst verlieren wir mit Glanz und Gloria“, schimpfte wie ein Rohrspatz und konnte sich nicht beruhigen. Wer den Paule noch kannte, kann sich das im Geiste ungefähr vorstellen. — Da war guter Rat teuer. Was tun? Da sagte der Paule ganz glatt zu mir: „Du bist der Spielausschuss und verantwortlich; Du gehst nach dem Spiel zu ihm in die Kabine, bootest ihn aus, irgend eine Ausrede wird Dir schon einfallen!“ — Mein Gott, ausgerechnet ich als kleiner Pimpf soll gegen eine solche Kanone am Deutschen Fußballhimmel, vor dem alles in Ehrfurcht erstarrt, auftreten. Zunächst bestellte ich einmal zur Einleitung von Prof. Glaser , seinem alten Sportkameraden, Grüße, -während mir der Angstschweiß auf der Stirne stand und ich nicht -wusste, was ich weiter stottern sollte. Jedoch, das Schicksal hatte es gut gemeint mit mir. Dr. Bauwens schüttelte mir die Hand und sagte: „Glänzend, dass ich Sie treffe, ich wollte heute Abend sowieso meinen Freund Glaser anrufen und ihm mitteilen, dass ich das Spiel in Freiburg nicht pfeifen kann. Ich muss ein Länderspiel in Budapest leiten“, „ich bedauerte das Missgeschick außerordentlich, verabschiedete mich und sagte — zurückgekehrt — zum Paule mit geschwellter Brust; „Alles in Ordnung!“ Darnach suchte ich meinen alten Freund Oskar B o h n vom VfR Mannheim auf (ein s. Zt. sehr geschätzter Pfeifenmann) und bat ihn, das Freiburger Spiel zu übernehmen, aber ohne Abseitsfalle, was er mit Freuden zusagte. In Frankfurt gewannen, die Engländer 6:1 und waren am Samstag Abend vor unserem Spiel zu einer Feier mit Münchner Spatenbräu eingeladen, was die „Westham-Spieler sichtlich mitgenommen hat; denn als sie am Sonntag gegen 11 Uhr hier ankamen, schienen sie einigermaßen abgekämpft zu sein. Dazu kam noch ein heißer, schwüler Maientag. Beim Mittagessen im „Zähringer Hof“ sagte ich noch zu unserem damaligen Präsidenten, Prof. Emil Schmidt : „Wenn die heute Mittag so spielen, wie sie hier herumhängen, dann erben sie bei uns keinen Blumentopf!“ Und so kam es auch, dank der tatkräftigen Mithilfe unserer glänzend aufgelegten Mannschaft. Das 5:2 war immerhin eine Sensation. Nach der Niederlage gegen uns absolvierten die Londoner noch einige Spiele in der Schweiz und in Osterreich, wobei sie kein einziges Spiel mehr verloren. Alles andere, was sich anlässlich unseres Freiburger Spieles noch abgespielt hat, ist durch manche Berichte in den letzten Jahren den Freiburger Anhängern ja zur Genüge bekannt; vielleicht war es interessant, etwas zu lesen, was sich, damals — wie hier berichtet — „hinter den Kulissen“ abgespielt hat. Otto Stunz

Die siegreiche Mannschaft des FFC. Sie schlug als erste  deutsche Elf in einem grandiosen Spiel den englischen Pokalmeister von 1924, Westham United London mit 5:2 Toren. —
Von links: Hotze. Sepp Bantle (Ersatz), Krämer, Neipp, Klay, Ernst Bantle, Würz, Rieger, Röhler, Spöri, Mayer, Nikelsen, Wirth (Ersatz),Foto: E. Baumgartner