Badischer Meister
29.12.1929: Der FFC ist Badischer Fußballmeister!
Am Dezember 1929 wurde der Freiburger FC Badischer Meister, nachdem er in einem Entscheidungsspiel (wegen Punktgleichheit) in Offenburg den Karlsruher FV mit 4:2 geschlagen hatte. Aus einer von damals stammenden Nummer der Vereinsnachrichten wollen wir in einer farbigen Schilderung von Karl Ellwanger dieses Ereignis noch einmal auferstehen lassen. Er schrieb über die damalige Partie folgendes: ,,Es denkt dem Chronisten nicht, wann einmal Badens Meistertitel so sehr auf des Messers Schneide stand, wie am 29. Dezember 1929. Im Spiel der Zahlen und der Punkte blieben schließlich nach vierzehn Spielen FFC und KFV punkt- gleich als führend übrig. Zweimal musste unsere erste Elf in Karlsruhe gegen KFV und Phönix im Rückspiel auf fremdem Boden vor annähernd 10.000 Zuschauern knapp mit 3:2 bzw. 2:1 unterliegen. Beide Male war unsere Ligaelf insofern vom Glück verlassen, als einmal Würz und hernach Mandler nicht mitwirken konnten; Umstände, die für den einen oder anderen Punkt ausschlaggebend waren. Umso bedeutungsvoller wurde daher der viel umstrittene Kampfplatz in Offenburg. – Dem Gerechtigkeitssinn die Ehre geben, hat sich die Verbandsleitung nicht beirren lassen, dass als örtlich gelegener Platz nur Offenburg in Fragen kommen konnte, und sich für das Spielfeld des FV Offenburg entschied. Karlsruhe und Freiburg waren 14 Tage in fieberhafter Spannung um den ent- scheidenden Sieg! Das KFV-Lager und sein großer Anhang zuversichtlich, Freiburg und der FFC zurückhaltender und abwartend (im Stillen jedoch erwartungsfreudig). Rein zahlenmäßig betrachtend, eine gewisse Konstante vor Augen, war man mehr zur Residenz geneigt, denn die Erfahrung hatte gelehrt, dass dem FFC im entscheidenden Moment die Nerven fehlen! Doch in der Vorwoche zum großen Meisterentscheidungskampfe wurde der FFC zum Allgemeingedanken der Sportinteressenten Freiburgs und dessen Hinterland. Der Klub wurde zum sekundären Moment, die begeisterte örtliche Bevölkerung hatte primären Charakter. Sonderzug, Autos, Omnibusse und andere Fahrzeuge gaben den Beweis, dass eine Masse Volk aus allen Lagern der Kampfstätte ,,Offenburg“ zusteuerten.
Wer Zeuge war bei der Ankunft der beiden Extrazüge aus Karlsruhe und Freiburg, der konnte schon beim Massenauslauf an den Bahnhofsausgängen erkennen, wie die Stimmung verankert war. Karlsruhe erschien mit etwa 1500 Anhängern mit grün-weißen Fähnchen, fünf Minuten später traf Freiburg ein mit rund 2500 Teilnehmern mit rot-weißem Fahnenschmuck, frisch und Siegesgewillt! Im Bahnhofhotel war die FFC-Mannschaft kampfbewußt, im Hotel Ries der KFV ebenso seiner schweren Aufgabe gewappnet. In den Straßen Offenburgs, die im Fahnenschmuck prangten, traf man Schritt für Schritt gute und alte Bekannte aus allen Gegenden des badischen Ober- und Unterlandes. Allerwärts die einzige Frage – wie ist der Tipp?! – Der Bessere soll gewinnen! Diese ehrliche Meinung war durchweg grundlegend. Menschenmassen wälzten sich buchstäblich nach der Stegermatt, Auto hinter Auto wurden auf Umfahrten zum Parken und zum Spielfeld geleitet. Musterhaft haben die Offenburger Verkehrsorgane den übersteigernden Fremdenverkehr geregelt. Reibungslos kamen 10 000 Menschen zum gigantischen Kampfe. Schreiber dieser Zeilen hatte persönliches Pech, denn dreimal musste der Tribünenplatz gewechselt werden infolge eines Regiefehlers, doch dies spielt keine Rolle, denn auf der vorgesehenen KFV- Tribüne waren sehr interessante psychologische Studien zu machen, Opernsänger Neumeyer und Frau Gemahlin werden dies bestätigen können; überdies war unser stimm gewandter Zahnkünstler ,,Eugen“ auch mit von der Partie! Lautsprechermusik vertrieb die Langeweile! Der Ansager gab Verhaltensmaß- regeln für die Zuschauer – ein Geldbeutel mit ansehnlichem Inhalt wurde vom ,,ehrlichen“ Finder abgegeben, Fahrkarte Freiburg – Offenburg zurück – Schnellzug -, ein kleiner Junge hat die Eltern verloren, abzuholen nach dem Spiel auf der Prominententribüne – usw. 2.13 Uhr erschien die FFC – Elf, begeistert begrüßt von etwa 6000 rot-weißenFähnchenträgern, gleich darauf KFV, bejubelt von den grün-weißen Fähnchenanhängern. Fritz von Oggersheim, der allgewaltige und stets gerechte Schiri, war der Betreuer der 22 Mann. Fridolin Stadlers Töchterlein hat dem Papa Ökonomierat und 1. Vorsitzenden des FV Offenburg alle Ehre gemacht, denn das Gedichtlein und die Blumengebinde an beide Mannschaften waren entzückend.
2.17 Uhr nachmittags begann das entscheidungsvolle Ringen. KFV hat Platzwahl, starker Rückenwind und Rückensonne. Die Charakteristik des Kampfes ist so vielseitig In der Fach- und Tagespresse wiedergegeben worden, dass der Spielverlauf in Kürze wiedergegeben werden kann. Die beiderseitige Nervosität findet bereits nach 5-6 Minuten beim FFC eine gewisse Ruhe und Sicherheit, trotz Gegenwind und Sonne. Fehrle am rechten Flügel hatte bald erkannt, dass des KFV verwundbarste Stelle der linke Verteidiger Trauth war. Hier besiegte Schnelligkeit und Überlegung – Kraft und falsche Abwehrtaktik. Durch den scharfen Frontalwind von rechts lag meist das Angriffsmoment auf der rechten Sturmseite des FFC, zumal der KFV keine produktive Flügelbedienung zeigte; Quasten vergab sechs bis sieben wertvolle Vorlagen von Bekir, Kastner und Link durch klare Abseitsstellungen. Nach wechselvollem Kampf dominiert FFC in der 20. und 21. Minute. Rascher Flügelwechsel von rechts nach links bringt Radatt durch Kopfball zum ersten und kurz darauf auf Vorlage von Bantle Ernst zum zweiten Erfolg. – Fabelhaft war der spontane Beifall der sechstausend fähnchenbewappneten Rotweißanhänger.
Karlsruhe kämpft einen Verzweiflungskampf. Rückenwind und Sonne be- günstigen ihre Aktionen. Bekir und Kastner arbeiten jeder für zwei. Winkler im Tor ist der wahrhaftige Zerberus. Würz und Kassel nicht minder abwehrfertig. Nach 40 Minuten bietet sich ein selten schönes Kampfbild vor dem FFC – Tor bei einer KFV – Ecke. Quasten flankt wundervoll zur Mitte. Mit einem Kopfballtrio holt KFV ein Tor auf; Kastner-Beklr-Link köpfen nacheinander, Link kann unhaltbar verwandeln. Bis zum Wechsel bleibt KFV im Angriff. Die etwas ausgedehnte Pause gibt Anlass zu ausgedehnten Besprechungen. Im Gespräch mit einigen Unterländern kommen wir zu dem Ergebnis: wer das nächste Tor schießt, gewinnt. Ein Pforzheimer Sportbeflissener‘ meint, das größere Stehvermögen wird dem KFV den Sieg bringen, ein Karlsruher Kenner der Materie sagt, das Spiel bringt eine Verlängerung, die dem KFV den Sieg bringt; da flüstert mir die Gattin des Opernsängers Neumeyer vom Stadttheater in Freiburg ins Ohr, verlassen Sie sich darauf, ein Kollege meines Mannes träumte sonderbar, aber zutreffend, die Verdoppelung des Halbzeitergebnisses wird das Endergebnis bringen und 4 : 2 für FFC heißen! – Heißen Dank für diese Offenbarung! Denn zum persönlichen Dank war ich zu nervös; ich hab’s auch nach dem eindrucksvollen Sieg vor lauter Begeisterung vergessen! – Doch wir anderen FFC’ler (Neumayer, Hauser, Ellwanger mit Frauen, Pfister Karle und Eugen Danz) waren auf der KFV – Tribüne heißer und übervoll von Begeisterung.
Nach dieser Abschweifung wieder zum zweiten Teil des Meisterkampfes. Mit den Witterungsvorteilen – Wind und Sonne im Rücken – legte sich die FFC-Mannschaft sogleich mächtig ins Zeug, trotz alledem glückte dem KFV durch einen überraschenden Vorstoß durch Bekir der Ausgleich. Nun waren die Karlsruher Anhänger in lebhafter Fahrt Ihre Mannschaft setzte einige Minuten festen Dampf auf, so dass die Freiburger Hintermannschaft bange Augenblicke zu überstehen hatte. Vier ganz gefährliche Strafstöße verfehlen nur knapp ihr Ziel. FFC hat die schwere Nervenprobe gut und rasch überstanden, dann gewinnt der FFC – Angriff wieder Schritt für Schritt Feld. Radatt bringt die Freiburger Farben wieder durch Kopfball auf eine Doppelecke in Führung, und nunmehr lässt sich der FFC den Sieg nicht mehr entreißen. Mandler verstärkt geschickt die Hintermannschaft, so dass der FFC-Sturm mehr Angriffsfläche erhält. Neun Minuten vor Schluss spielt sich Bantle Ernst mit erstaunlichem Dribbling an Lange, Finneisen vorbei, täuscht den angreifenden Trauth glänzend, und an dem herauslaufenden Torwächter vorbeiflitzt ein überlegter Flachschuss ins rechte Toreck. Rasender Beifall fegt über das Spielfeld.
Freiburgs Sieg steht sicher. Die restlichen Minuten bringen keine Änderung mehr. Mit dem Schluss wälzt sich unter dem begeisterten Jubel von 6000 rotweißen Fähnchenträgern eine Menschenmenge über das Spielfeld. Bantle, als stellvertretender Spielführer, wirft man aus Offenburger Kreisen den Siegerlorbeer um den Hals, die Freiburger Spieler werden von ihren freudestrahlenden Anhängern auf den Schultern vom Platz getragen, ein Augenblick, wie wir Freiburger es nicht gewohnt waren, denn Meistersiege zu feiern, blieb den Bobbele bislang vorbehalten. Offenburg hatte seine erlebnisreichen Stunden hinter sich, aber in den Straßen kannte der Jubel kein Ende, denn vor dem Hotel Ries, dem Treffpunkt der beiden Mannschaften zum Siegesfeste, hallte es immer und immer wieder:
Ha – ho – h e – Sieger FFC! Beim Festbankett waren die Prominenten aus beiden Lagern, die örtlichen Vertreter und die Verbandsbehörde sowie die Presse sehr stark vertreten. Reden des Dankes und der Anerkennung wurdenvon allen Seiten gezollt, ein köstlicher Ortenauer Trunk nebst Imbiß hob die Stimmung und festigte die beiderseitigen guten sportlichen Beziehungen. Bald musste die Masse der Gäste wieder mit Auto und Bahn der Heimat zusteuern. Wir Freiburger natürlich wesentlich stimmungsfreudiger als die Residenzler. Aber warum sollte uns nicht auch einmal eine solche Freude zuteil werden, der Provinz tut dies doch doppelt so gut! Der Empfang am Freiburger Bahnhof war ebenso überraschend und überwältigend wie der ungeahnte spielerische Erfolg in Offenburg. Tausende und aber tausende waren. erschienen, um dem Sieger beim Verlassen des Bahnhofes zuzujubeln. Ehrliche Freude und Begeisterung hatte über Sonntag die sonst temperamentlosen Freiburger aufgerappelt und zur lebhaften Anteilnahme angefacht. Im Stadtklubheim fanden natürlich die vielen Anhänger nicht alle Platz man musste sich bis zur offiziellen Siegesfeier vertrösten lassen.
Bescheiden und doch so tief bewegt fand unser lieber Dr. Hobert Worte des Dankes und der Anerkennung für unsere wackere Elf. Fröhlich ob des Ereignisses warnte er vor Selbstüberhebung und mahnte jetzt erst recht, sportliche Arbeit zu treiben, um nach außen hin auch zu zeigen, dass sittlicher Ernst durch überschäumende Freude nicht untergraben werden darf. Eine Unmenge von Glückwünschen aus befreundeten Kreisen, den Behörden und vom Auslande bezeugten, dass man sich allerorts über den schönen Sieg des FFC ehrlich gefreut hat. Allzu rasch entschwanden die schönen Stunden. Nachhaltig blieb das Erlebnis in der Erinnerung zurück. Offenburg ist für uns Freiburger ein denkwürdiger Kampfplatz geworden. Dem neuen Badischen Meister aber rufen wir zu: ,,Glückauf zu neuen Taten!“